Mit dem Verschwinden von Gletschern gehen auch grosse Wasserspeicher verloren. Dies stellt die Bewässerung in den kargen Höhen des Himalayas, insbesondere in der Region Ladakh, vor immer grössere Probleme. Hier können die Ice Stupas als innovative Wasserspeicherstrukturen helfen. In den Wintermonaten wird Wasser aus kleinen Bächen abgeleitet und in gigantischen Eiskegeln, den sogenannten Ice Stupas, gespeichert.

Ein aussergewöhnliches Projekt namens „Ice Stupa Artificial Glaciers of Ladakh“ brachte die Idee von Ladakh nach Europa. Mit einfachsten Mitteln werden dort in der kalten Winterzeit diese konischen Eiskegel hergestellt. Diese teilweise über 40 m hohen Ice Stupas mit einer Grundfläche von ca. 400 m 2 bestehen aus bis zu 10‘000 Tonnen Eis, resp. ca 10 Mio Liter gefrorenem Wasser. In Ladakh speichern die eleganten Eistürme das im Winter spärlich vorhandene Wasser. Im Frühling, wenn die Eisschmelze in den hochgelegenen Himalaya-Gletschern immer spärlicher auftritt, spenden diese Stupas das ‚zwischengelagerte‘ Lebenselixier der durch Trockenheit bedrängten Landwirtschaft.

Anders als in Ladakh hat diese beeindruckende Eisskulptur in unserer Landschaft in erster Linie Symbolwirkung. Auch im Engadin könnte als Folge des Klimawandels die Verfügbarkeit des für das menschliche Leben elementaren Rohstoffes Wasser nicht mehr immer gewährleistet sein. So verliert auch der Morteratschgletscher als grösster Gletscher Graubündens jedes Jahr soviel Wasser, wie in ca. 1‘500 Ice Stupas gespeichert ist. Dies entspricht umgerechnet 15 Mio. Tonnen Eis. Doch es ist nicht nur Symbolwirkung, denn bei uns wird auch in Zusammenarbeit mit der Hochschule Luzern technologische Entwicklungsarbeit geleistet. Bis anhin beanspruchte der Bau eines Ice Stupas rund 500 Arbeitsstunden, oft während der Nacht. Insbesondere in Ladakh, wo die Temperaturen merklich kälter sind als im Engadin und die Ice Stupas mehrere Kilometer entfernt von Siedlungen liegen, ist dies oft auch gefährlich. Ein neues, automatisches Kontrollsystem kann nun den Arbeitsaufwand signifikant reduzieren. So schaltet das System bei Gefriergefahr oder bei zu warmen Temperaturen oder starken Winden automatisch ab und wird gleichzeitig sorgfältig entleert und bei günstigeren Bedingungen wieder in Betrieb genommen.

Das gemeinsame Handeln gegen die Folgen des Klimawandels erzeugte noch weitere erfreuliche Nebenwirkungen: Der für den Ice Stupa Bau gegründete Verein GlaciersAlive konnte in den vergangen 6 Jahren dank mehreren Spenden mehrfach junge Studierende aus Ladakh ins Engadin einladen. Aus dieser Zusammenarbeit ist nun im vergangenen Mai eine erste Dissertation an der Universität Fribourg entstanden. Der erfolgreiche Doktorand Suryanarianam Balasubramanian ist nun nach Ladakh zurückgekehrt und hat dort seine Firma „Acres of Ice“ gegründet, welche sich zum Ziel setzt, den Ortschaften in Ladakh die in der Schweiz entwickelte Technologie zu implementieren.

Der Ice Stupa an der Talstation Diavolezza ist mit seinem Innenraum aus Hunderten von Eiszapfen bereit für eine Besichtigung! Die sich im Innern eröffnende Eispracht kann man nicht mit Worten beschreiben, sondern muss man gesehen haben. Das spektakuläre Eisgebilde beinhaltet noch eine weitere symbolhafte Aussage: Als Folge der globalen Klimaabhängigkeit bilden wir auch beim Wasser eine Schicksalsgemeinschaft. Deshalb wird der Ice Stupa auch zu einem Symbol der Verbundenheit mit der Region Ladakh, von welcher europäische Reisende immer wieder tief beeindruckt zurückkehren. Auch Schulanlässe werden über die Zusammenarbeit mit der Academia Engiadina durch den Verein GlaciersAlive angeboten. Alle Besuchende erhalten die Möglichkeit, über Spenden den Bau von Ice Stupas in Ladakh zu unterstützen.

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